Wie würde sich eine Paartherapie mit dem Planeten Erde anfühlen? Wie auch immer dieses Gedankenexperiment ausgehen würde – es wäre jedenfalls hoch an der Zeit dafür. Das meinen auch die Pennyless Players, die englischsprachige non-profit Theatertruppe des Instituts für Anglistik der Uni Graz. Mit dem Stück „When Venice Sinks“ – die Premiere ging vergangene Woche im Grazer Literaturhaus über die Bühne – zeigt Autorin und Regisseurin Lea Belšak die Beziehung zwischen Mensch und Natur als gefährdet und durch Zeitdruck bedroht. Gleichzeitig sind Aussprache, gegenseitiges Zuhören und das Hineinspüren in die Bedürfnisse des Anderen die einzigen Wege aus der Krise. „There is still time. There is no other choice“, heißt es treffend, bevor das Bühnenlicht zum letzten Mal ausgeht. Für diesen Abend.
Heiße Stimmung
„When Venice Sinks“ ist eine Liebesgeschichte über April (Caroline Kimbell) und Lucien (Benjamin Daniczek). Sie stehen metaphorisch für die Menschheit und den Planeten Erde. Ihre Symbiose beginnt in der Altsteinzeit. Lucien, der die Erde verkörpert, lernt April in der Bar „Palaeolithic“ kennen. Bald wandelt sich die harmonische Beziehung. „Mehr, mehr, mehr“ wird zur Devise, als April Lucien an seine Grenzen treibt – und darüber hinaus. Sie selbst fühlt gleichzeitig immer stärker den Drang, sich zu beweisen. Ein Teufelskreis, der die Stimmung anheizt – und das Klima.
Lea Belšaks Stück ist aber nicht nur eine Berg- und Talfahrt der Gefühle. Es führt dem Publikum auch die Faktoren vor Augen, die diese Gefühlsachterbahn maßgeblich beeinflussen. Mit schlau eingesetzten Metaphern und sich wandelnden Requisiten und Projektionen thematisiert sie neben der Klimakrise auch den Generationenkonflikt sowie die ausbeuterischen Aspekte des Kapitalismus und Neoliberalismus. Und sie hinterfragt die Tendenz, alles, was nicht auf den ersten Blick dem Fortschritt dient, aus unserer Gesellschaft auszugrenzen. All diese Problematiken explodieren auf der Bühne und lassen die ZuschauerInnen nicht selten mit einem unbehaglichen Gefühl zurück. Aus dem Geschehen fliehen kann aber niemand. Auch für die Charaktere auf der Bühne gibt es keinen Planeten B.
Engagierte AkteurInnen
Nicht unerwähnt bleiben soll die beeindruckende Leistung der engagierten SchauspielerInnen. Wer nach Anlaufen des Stücks verzweifelt nach Harmonie sucht, findet diese im Zusammenspiel der AkteurInnen. Kreativ eingesetzte Typen, wie etwa ein esoterischer, gottbesessener Punk und ein vermeintlicher Taugenichts sorgen für unabdingbare Lacher aus allen Reihen, während beklemmende Szenen seriös und mit überzeugendem Dialog ausgespielt werden.
Das zweistündige Eco-Play „When Venice Sinks“ lässt die rund zweihunderttausend Jahre alte Geschichte der Menschheit wie einen Flügelschlag wirken. Ob für die Zukunft noch Hoffnung besteht? Diese Frage können und müssen die ZuseherInnen selbst beantworten. Was am Ende feststeht ist, dass wir keine Fluchtmöglichkeit haben. Wir müssen es ausdiskutieren, wir müssen reden. Für den nötigen Anstoß dazu sorgt „When Venice Sinks“. Eine klare Empfehlung für den Besuch. Das Stück ist noch zwei Mal zu sehen: am 10. und am 11. Juni 2022, jeweils um 19:30 Uhr im Grazer Literaturhaus.
Tickets: € 15,00, ermäßigt: € 8,00 (SchülerInnen, Studierende sowie "Hunger auf Kunst und Kultur-Pass", "LAUT!-Card", "SozialCard"). Tickets gibt es auch per E-Mail: pennylesstickets(at)gmail.com oder online auf https://pennylessplayers.wordpress.com. Sponsored by: Stadt Graz Kultur & Literaturhaus Graz.
>> Die Autorin und Regisseurin Lea Belšak im AirCampus-Interview
Mehr Infos zu den Pennyless Players:
Die Pennyless Players sind eine ehrenamtliche studentische Kulturinitiative, die die freie Grazer Theaterszene seit 2007 um qualitativ hochwertiges, englischsprachiges Theater erweitert. Die Gruppe wurde am Institut für Anglistik der Universität Graz ins Leben gerufen und besteht aus Studierenden verschiedener Studienrichtungen, Absolvent:innen und anderen Theaterbegeisterten. Seit unserer Gründung haben sie 17 abendfüllende Stücke produziert und konnten pro Produktion zwischen 300 und 600 BesucherInnen für das englischsprachige Theater begeistern. Alle Mitarbeitenden einer Produktion arbeiten zur Gänze ehrenamtlich, von Schauspiel und Regie, über Bühnenbild, Musik bis hin zu Grafik und PR. Von Beginn an wurden die gesamten Einnahmen der Theaterstücke an wohltätige Zwecke gespendet. In nun 15 Jahren konnten so bereits über 24.000,- Euro an Einrichtungen wie Ärzte ohne Grenzen, Vinziwerke Graz, oder der Notschlafstelle für Frauen übergeben werden.