ForscherInnen am Grazer Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Uni Graz entwickelten in den letzten Jahren unter Federführung von Univ.-Prof. Dr. Gottfried Kirchengast die weltweit erste Methode zur Messung von Treibhausgasen in der freien Atmosphäre: Deren Konzentration lässt sich aus der Dämpfung bzw. Absorption von Infrarotlaser-Signalen, die von einem Sender- zu einem Empfänger-Satelliten geschickt werden, ablesen. Nun hat Kirchengast gemeinsam mit dem mathematischen Geophysiker Dr. Stig Syndergaard vom Dänischen Meteorologischen Institut in Kopenhagen einen neuen mathematischen Weg gefunden, der zusätzlich Windmessungen mit dieser Methode der Infrarotlaser-Okkultation ermöglicht. Die jüngsten Forschungsergebnisse wurden in der neuen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Journal of Geophysical Research veröffentlicht.
„Bei der Infrarotlaser-Okkultation werden die Signale auf ihrem Weg durch die Atmosphäre gebrochen und teilweise absorbiert, so dass sie gedämpft beim Empfänger-Satelliten ankommen“, erklärt Gottfried Kirchengast. „Jedes Treibhausgas hat charakteristische Absorptionslinien und absorbiert die Signale jeweils auf ganz bestimmten Wellenlängen stark, sodass sich daraus charakteristische Signaldämpfungen ergeben. Diese sind bei passender Wahl von zwei Signalfrequenzen symmetrisch zum Zentrum einer Absorptionslinie, wenn Windstille herrscht, genau gleich groß. Durch Wind verschieben sich die Frequenzen aber etwas, sodass es zu charakteristischen Dämpfungsdifferenzen kommt“, ergänzt der Forscher. Aus diesen Unterschieden, so haben Kirchengast und Syndergaard in ihrer aktuellen Publikation gezeigt, lässt sich die Windgeschwindigkeit entlang der Sender-Empfänger-Richtung über eine mathematische Transformation mit sehr guter Höhenauflösung und Genauigkeit ableiten.
Das Phänomen entspricht dem Doppler-Effekt, wie er von akustischen Wellen bekannt ist: Bewegt man sich auf eine Schallquelle zu, kommt es zu einer Verkürzung der Wellenlänge und damit Erhöhung der Frequenz, wodurch ein Ton höher wahrgenommen wird. Entfernt man sich, wird er tiefer.
Die Möglichkeit, auch Windprofile mittels Infrarotlaser-Okkultation zu bestimmen, ist deshalb so bedeutend, weil es die bislang erste Methode zur weltweiten direkten Windmessung in der freien Atmosphäre – fünf bis etwa 35 Kilometer über der Erdoberfläche – darstellt. Herkömmliche Verfahren gewinnen ihre Ergebnisse unter anderem aus den Bewegungen von Wolkenmustern, was jedoch mit großen Ungenauigkeiten behaftet ist und in den riesigen wolkenlosen Gebieten der Erdatmosphäre überhaupt keine Information liefert.
Die neue mathematische Transformation zur Umrechnung von Signaldämpfungsdifferenzen in Windgeschwindigkeiten lässt sich bei Messungen mit anderen Signalen ebenfalls anwenden, wie etwa bei Mikrowellen-Okkultation zwischen Satelliten. Damit kann sie auch Temperatur- und Feuchtemessungen sehr gut ergänzen. „Wir veranstalten im Mai im Rahmen des Living Planet Symposium 2016 der Europäischen Weltraumbehörde ESA einen internationalen Workshop zu nächsten Schritten mit dieser nun noch attraktiver gewordenen Methode“, denkt Kirchengast bereits weiter in Richtung Umsetzung als Satellitenmission.
Die Arbeiten wurden von der Europäischen Weltraumbehörde ESA gefördert und sind im Forschungsschwerpunkt „Umwelt und Globaler Wandel“ der Universität Graz verankert.
Publikation:
Syndergaard, S., and G. Kirchengast (2016),
An Abel transform for deriving line-of-sight wind profiles from LEO-LEO infrared laser occultation measurements,
Journal of Geophysical Research – Atmospheres, 121, doi:10.1002/2015JD023535