Uns bleibt nicht einmal mehr Paris. Zumindest was die 2015 in der französischen Hauptstadt vereinbarten Klimaziele angeht. Statt um 1,5 Grad wird sich unser Planet bis 2100 um 2,4 bis 2,6 Grad aufheizen. Lösungen sind bei der aktuellen UN-Klimakonferenz in Sharm El Sheikh gefragt.
Wie wir vorankommen können, ohne die Erde zu zerstören, wissen Forscher:innen der Universität Graz. Ein A bis Z der wichtigsten Erkenntnisse des Exzellenzfelds Climate Change Graz.
Atmosphäre abkühlen
Der menschliche Einfluss auf den Klimawandel lässt sich auch in der Luft ablesen: Die erdnahe Schicht, die Troposphäre, erwärmt sich durch unsere CO2-Emissionen besonders stark und dehnt sich dadurch in höhere Regionen aus. Die darüberliegende Stratosphäre wird folglich zusammengedrückt, denn Treibhausgase und die abnehmende Ozonschicht sorgen im nächsten „Stockwerk“ der Atmosphäre für stärkere Abkühlung und senken es nach unten ab. Im Bereich der Tropen erwärmt sich die Lufthülle noch stärker als die Erdoberfläche. Dadurch verändern sich die üblichen Zirkulationen, mit gravierenden Auswirkungen auf das weltweite Wettergeschehen. >> Uni-Graz-Expert:innen: Physiker:innen Ulrich Foelsche, Florian Ladstädter, Veronika Proschek und Andrea Steiner
Borkenkäfer bändigen
Bei milderen Temperaturen fühlt sich der Schädling sehr wohl, besonders in den weit verbreiteten Fichten-Monokulturen. Stirbt der Wald, können nach Starkniederschlägen ganze Hänge ins Rutschen geraten – mit katastrophalen Folgen für Mensch und Umwelt. Abhilfe schaffen würden resistentere Bäume sowie Mischwälder und mehr Waldpflege, damit sich der Borkenkäfer nicht so rasant ausbreiten kann. >> Uni-Graz-Experte: Ökonom Gabriel Bachner
CO2 checken
Kohlendioxid gilt als das klimaschädliche Treibhausgas schlechthin. Eine Anleitung, wie und wo man als Privatperson, Unternehmen oder Kommune CO2 einsparen kann, haben ForscherInnen auf carbManage.earth zusammengestellt. An der Universität Graz wird das bereits umgesetzt: Das größte Potenzial bieten Wärme und Energie, gefolgt von der Mobilität. >> Uni-Graz-Expert:innen: Physiker:innen Julia Danzer und Gottfried Kirchengast
Extremwetter errechnen
Hitzewellen, Dürren und Starkregen werden häufiger und heftiger, zeigt der neueste Weltklimabericht, an dem auch AutorInnen der Universität Graz mitgearbeitet haben. Eine rasche und drastische Reduktion der Treibhausgase ist unabdingbar, um katastrophale Folgen des Klimawandels einzudämmen, zeigen die Prognosemodelle, die mit dem Know-how des Wegener Center stets verbessert werden. >> Uni-Graz-Experte: Physiker Douglas Maraun
Fleisch fasten
Es ist nicht nur das Methan, das Rinder freisetzen, auch die Futtermittel-Produktion verursacht Unmengen an schädlichen Emissionen. Damit ist der Fleischkonsum – Österreich liegt mit 5,9 Tonnen im Leben jeder Person auf Platz 15 weltweit – ein entscheidender Faktor für den Klimawandel. Vegane Ernährung ist allerdings nicht automatisch besser: Soja, für das der Regenwald abgeholzt wird, oder Mandeln aus Monokulturen sind ähnlich problematisch. >> Uni-Graz-Expertin: Nachhaltigkeitsforscherin Ulrike Gelbmann
Gletscher gefährdet
Ein untrügliches Zeichen des Klimawandels ist der unaufhörliche Rückgang der Gletscher in Österreich. Die Pasterze hat zuletzt innerhalb eines Jahres mehr als 50 Meter an Länge verloren und ist um gut sechs Meter eingesunken. Auch die meisten anderen Keese zerfallen langsam und lassen Seen zurück. >> Uni-Graz-Experten: Geografen Andreas Kellerer-Pirklbauer und Gerhard Lieb
Handfeste Hinweise
Markante Kennzahlen, die unser Umweltverhalten und die globale Erwärmung dokumentieren, sind als „Graz Climate Change Indicators“ auf der Website gcci.earth zusammengefasst. Dort können sich alle Interessierten ein Bild von aktuellen und vergangenen Emissionen oder der Einhaltung von Klimazielen in den unterschiedlichsten Regionen des Globus machen. >> Uni-Graz-Experte: Physiker Gottfried Kirchengast
Kluger Kreislauf
Um Emissionen und Abfall zu reduzieren sowie Ressourcen zu sparen, braucht es einen Umbau zur Kreislaufwirtschaft. Das bedingt etwa strengere Vorschriften für Reparatur- und Recyclingfähigkeit. Zentral sind dafür das Produktdesign, optimierte Prozesse der beteiligten Unternehmen sowie KundInnen, die nicht mehr Genutztes anbieten und aufgearbeitete Güter kaufen. >> Uni-Graz-Experten: Betriebswirte Rupert Baumgartner, Gernot Lechner und Marc Reimann
Menschen mobilisieren
Ohne breite Akzeptanz in der Bevölkerung sind einschneidende Klimaschutzmaßnahmen schwer durchzusetzen. Mit sozialen Simulationen – einer Kombination von Rollenspiel und Computersimulation – lässt sich abschätzen, wie man die nötigen nachhaltigen Veränderungen bewirken kann. Die Interessen der verschiedenen betroffenen Gruppen werden dabei berücksichtigt. >> Uni-Graz-Expertin: Soziologin Ilona Otto
Permafrost prüfen
Bröckelnde Wände, unpassierbare Klettersteige, Steinschlag auf Wanderwegen: Die Erwärmung der Permafrostböden in den Alpen verwandelt so manches Bergsteige-Paradies in eine Gefahrenzone. Durch den Klimawandel erweicht das Eis, das die aus Schutt bestehenden Blockgletscher wie Zement zusammenhält. Kameras und Messgeräte von 80 Klimastationen in der Tauernregion liefern dazu Daten im Stundentakt. >> Uni-Graz-Experten: Geografen Andreas Kellerer-Pirklbauer und Gerhard Lieb
Raum ohne Reifen
Der Autoverkehr ist aufgrund des Reifenabriebs die größte Quelle anMikroplastik in der Umwelt. Reduziert man Individualfahrten weitgehend, könnte man Straßen und Parkplätze in begrünten Lebensraum umwandeln, was Umwelt und Gesundheit schützt. Auch die Geldbörse profitiert: Über einen Zeitraum von rund 20 Jahren gerechnet, ist klimafreundliche Mobilität wesentlich günstiger als unser derzeitiges Verhalten. >> Uni-Graz-Experte: Nachhaltigkeitsforscher Alfred Posch
Steuern zum Steuern
Die CO2-Abgabe verteuert Güter, die mit hohen Emissionen verbunden sind. Das soll Unternehmen und KonsumentInnen zum Umstieg auf nachhaltigere Alternativen bewegen. Eine Rückverteilung der Einnahmen als Klimabonus pro Kopf würde vor allem ärmeren Bevölkerungsschichten zugutekommen, die tendenziell weniger Emissionen verursachen als reichere. Grenzsteueranpassungen könnten sicherstellen, dass weniger umweltfreundliche Importe die ökologischen Standards in einem Land nicht untergraben. >> Uni-Graz-Experten: Ökonomen Karl Steininger und Michael Finus
Treibstoff tauschen
Emissionsarme Benzin-Alternativen sind E-Fuels, die aus Biomasse oder Industrieabgasen gewonnen werden können. Verschiedene Kraftstoffmischungen und ihre Abgase werden derzeit für Kleinautos, Zweiräder, Motorsägen und Laubbläser getestet. >> Uni-Graz-Experte: Chemiker Sigurd Schober
Urlaub umbuchen
Reisen ist essenziell für den Austausch von Kulturen. Wo möglich sollte man sich mit Zug und Fahrrad fortbewegen. Außerdem ist die Auswahl der Unterkunft wichtig: Kleine Privatpensionen wirtschaften nachhaltiger als internationale Hotel-Ressorts und gewähren dazu mehr Einblick in regionale Eigenheiten. Völlig tabu sind Kurzstreckenflüge: Einmal Wien-Berlin verursacht 130 Kilogramm CO2 – etwa gleich viel wie der Verzehr von 65 Steaks. >> Uni-Graz-Experte: Ökonom Karl Steininger
Verpackung vermeiden
Alles, was man öfter als einmal verwenden kann, ist sinnvoll, egal ob Glas, Papier oder Plastik. Tetrapak punktet gegenüber Wegwerf-Flaschen durch geringeres Eigengewicht, das einen umweltfreundlicheren Transport ermöglicht, und einfacheres Recycling. >> Uni-Graz-Expertin: Nachhaltigkeitsforscherin Ulrike Gelbmann
Wirtschaft wandeln
Mit 15 Milliarden Euro im Jahr belasten die Auswirkungen des Klimawandels, das Festhalten an fossilen Brennstoffen sowie deren Förderung Österreichs Wirtschaft, die Gesundheit und das öffentliche Budget. In wenigen Jahren könnte diese Summe auf jährlich 20 Milliarden steigen. Ein Nicht-Handeln der Politik verursacht also enorme Kosten. >> Uni-Graz-ExpertInnen: Ökonom:innen Birgit Bednar-Friedl, Nina Knittel und Karl Steininger
Zukunft zeigen
Wie unsere Wirtschaft und Gesellschaft das Pariser Klimaziel erreichen und 2050 nahezu emissionsfrei werden kann, zeigt ein Konzept von über 70 österreichischen WissenschafterInnen, das als Grundlage für den Klimaplan dienen soll. Bis Mitte des Jahrhunderts die Treibhausgase gegen Null zu senken, ist sogar bei gleichzeitig steigender Lebensqualität möglich. >> Uni-Graz-Experten: Ökonom Karl Steininger und Physiker Gottfried Kirchengast